Eucharistische Anbetung

Beten?! – Nimm Dir Zeit für Gott und damit für Dich selbst!

Das Bedürfnis, im Gebet mit Gott in Kontakt zu kommen, ist auch heute ungebrochen. Weil wir unsere Lebenswirklichkeit oft als hektisch, umtriebig und vielfach allzu sinnlos erfahren, suchen wir nach Möglichkeiten der Vertiefung und Sinnfindung. Unsere Erlebniswirklichkeit ist geprägt von vielerlei Ängsten und Sorgen. So betrachtet der Theologe Romano Guardini in seinem Buch „Vorschule des Betens“ die Beobachtungen der Mediziner:

„Die Ärzte sind es, welche darauf hinweisen, daß der Mensch, der nur nach außen hin lebt, von einem Eindruck zum anderen gerissen wird, redet, strebt, arbeitet, kämpft, sich schließlich verbrauchen und verkrampfen muß. Soll das nicht geschehen, dann muß das Leben auch die Gegenrichtung nach innen nehmen; es muß sich von den Wurzeln her erneuern, Kraft sammeln, Spannung gewinnen. Sie sagen weiter, daß der neuzeitliche Mensch immer mehr die innere Mitte verliert, welche dem Bau der Persönlichkeit seinen Halt und dem Gang des Lebens seine Richtung gibt; daß er bei allem Anspruch des Redens und allem Geräusch des Sichgebens unsicher wird und unter seinem selbstbewußten Wesen eine immer bedrohlicher werdende Angst lauert. So muß er die innere Mitte, den tragenden und sichernden Halt suchen, den Punkt, von dem aus er in die Welt hinausgehen und zu dem er wieder zurückkehren kann“.

Eucharistische Anbetung

Was not tut ist also ein echtes Gegengewicht, das immer wirkt: Gebet.
Aber ist das auch so? Ist das Gebet wirklich notwendig? Oder ist es nicht Sache von stillen, unpraktischen, etwas schwächlichen Naturen, die nicht richtig ins Leben gehören? – Nein. Der Mensch bedarf des Gebetes, um seelisch gesund zu bleiben. Doch Gebet hilft nur dann, wenn es nicht um seiner Wirkung willen, sondern aus dem inneren Verhältnis zu Gott heraus geübt wird. Nur aus lebendigem Glauben heraus kann der Mensch beten. Das Gebet ist die direkteste Äußerung des Glaubens: der Umgang mit dem Gott, auf welchen der Glaube sich richtet. Man kann eine Zeit haben, in welcher das Gebet stockt; auf die Dauer aber kann man nicht glauben, ohne zu beten – so wenig man leben kann, ohne zu atmen.

Das Gebet braucht innere Ruhe und inneres Freisein. Der Mensch aber ist in sich unruhig, er will immer etwas erreichen oder abwehren, erwerben oder abstoßen, aufbauen oder zerstören. Sobald wir versuchen ruhig zu werden, kommt die Unruhe erst richtig über uns – sofort tritt etwas anderes herzu und will getan sein: eine Arbeit, ein Gespräch, eine Besorgung, eine Vergewisserung, eine Zeitung, und das Gebet kommt uns wie ein Verlust vor. Doch durch das Aushalten, das Sich-Sammeln wird schon eine Stärkung erreicht, indem die Zerstreutheit überwunden wird. Dann kann der Mensch sagen: „Hier ist Gott, der Lebendige, von dem die Bibel spricht. Und hier bin auch ich.“ Gott ist jener, der mich kennt und meint; nicht nur als einen unter Unzähligen, sondern mich selbst, in der Einzigartigkeit und Unvertretbarkeit meiner Person. Mein Glaube sagt mir, Gott ist da. Doch er ist immer auf der anderen Seite, in der Verborgenheit.

Ebenerdiger Zugang

ebenerdig erreichbar

Diese Verborgenheit Gottes wurde durchbrochen durch die Menschwerdung Jesu Christi: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14, 9). Bevor Christus gekreuzigt, begraben, von den Toten auferweckt wurde und in den Himmel auffuhr, gab er uns jedoch ein neues sichtbares Zeichen, in dem er bei uns gegenwärtig ist: Die Eucharistie. Nach den Wandlungsworten ist er in den Gestalten von Brot und Wein unter uns und wir können, indem wir die Kommunion empfangen, mit ihm in die dichteste Gemeinschaft treten, die uns möglich ist.

Dieses Verhältnis der Gemeinschaft mit Gott hat in der Kirche auch die Ausdrucksform der eucharistischen Anbetung gefunden. Der Leib Christi ist in Form einer großen Hostie in der Monstranz den Gläubigen zur Schau ausgesetzt. Dieser Brauch kommt der Natur des Menschen entgegen, denn der Mensch ist ein „Augentier“ – er hat immer das Bedürfnis alles zu sehen wie der ungläubige Thomas: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. (Joh 20, 25).

Vor dem sichtbaren Allerheiligsten (dem Leib Christi in der Monstranz) weiß der Gläubige sich sicher in der Gegenwart Gottes. Hier kann er sich durch Vewirrungen und Trugbilder des Lebens hindurch neu orientieren, die Beziehungen des Lebens wieder richtig zurechtrücken, indem er sich neu bewußt macht, daß Gott Gott ist und der Mensch nur Mensch, Gottes Geschöpf: „Du bist Gott, ich bin der Mensch. Du bist der wahrhaft Seiende, aus Dir selbst, wesenhaft und ewig, ich bin durch Dich und vor Dir. Du hast alle Mächtigkeit des Wesens, alle Fülle des Wertes, alle Hoheit des Sinnes, bist Deiner selbst Herr und genügest selig Dir selbst. Der Sinn meines Daseins hingegen kommt mir durch Dich; ich lebe aus Deinem Licht, und die Maße meines Daseins sind in Dir.“ (Romano Guardini, Vorschule des Betens). Dieses Wissen entlastet den Menschen. Er weiß sich so mit all seinen Anlagen, die ihm gewisse Möglichkeiten zuweisen, zugleich aber auch spürbare Grenzen ziehen, so gewollt und von Gott angenommen um seiner selbst willen.

Die eucharistische Anbetung, wie sie in unserer St. Marien Pfarrei durchgehend in der Krypta und in der Antoniuskapelle angeboten wird, schafft auch einen Raum für stilles und doch gemeinsames Gebet. So können sich die Betenden als Gemeinschaft vor Gott erfahren, dabei aber zugleich ihre ganz persönlichen Anliegen vor Gott tragen. In diesem persönlichen Gebet offenbart sich meine Beziehung zu Gott: hier geht mir auf, wer Gott für mich ist, welche Rolle er in meinem Leben spielt, welche Erwartungen, Wünsche und Sehnsüchte ich habe. Letztlich ist hier die Frage nach meinem Gottvertrauen zu stellen: Vertraue ich Gott? Oder mit anderen Worten: Liebe ich ihn aus ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft? (Dtn 6, 5).

Wenn Beten tatsächlich „Sprechen mit einem guten Freund“ ist, dann erfordert es zunächst, daß ich mich aufmache und diesen Freund suche. Freundschaft setzt eine recht intensive Beziehung voraus. Freundschaft heißt: Ich kenne den anderen, und: Ich vertraue ihm.

Dabei werden wir als Christen verwiesen auf die Geschichte Gottes mit seinem Volk – mit denen, die er sich auserwählt und ihnen die Gnade der Erkenntnis geschenkt hat und immer wieder neu schenkt: In Jesus Christus hat sich dieser Gott unüberbietbar geoffenbart, in ihm hat Gott sich lebendig und leibhaft ausgesprochen. Jesus ist das Wort, das „Fleisch angenommen hat“, damit wir Menschen erkennen, daß Gott einen Bund mit uns geschlossen hat. Wir sind Menschen unserer Zeit, doch sind wir hineingenommen in die Geschichte, die Gott mit den Menschen begonnen und durch Jesus Christus fortgeschrieben hat. Für das ganz persönliche Beten bedeutet dies, daß ich allen Grund habe, Gott als denjenigen zu spüren, der mit mir auf dem Wege geht.

Die Basilika und die Antoniuskapelle sind jeden Tag von 7:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet. Somit hat man in dieser Zeit auch Gelegenheit zur Eucharistischen Anbetung in der Krypta, im Untergeschoss der Basilika oder ebenerdig und mit automatischer, elektrischer Tür in der Antoniuskapelle.

Wir laden Sie herzlich ein!

Dr. Dirk Költgen